Mythos- Stoffwechseltypen

In diesem Artikel geht es um die allseits propagierten „Stoffwechseltypen“ und wieso das alles nicht nur unfundiert, sondern auch vollkommen unlogisch ist.

Da wir zum jetzigen Zeitpunkt 2020 haben, sollte dieses Thema eigentlich keine Rolle mehr spielen. Dennoch wird es immer noch von sehr vielen Menschen bzw. Plattformen aufgegriffen und das leider nicht in dem Sinne, wie es sinnvoll wäre.

Um was geht es dabei?

Um zunächst die Begrifflichkeiten zu klären, geht es bei dem Modell der „Stoffwechseltypen“ darum, dass man Menschen angeblich in verschiedene Unterkategorien, mit unterschiedlichen physischen- und Stoffwechseleigenschaften unterteilt.

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Wo das Ganze herkommt:

Wenn ich mich richtig erinnere wurde dieses Konzept vor mehreren Jahren bei „Beginn“ des Fitness- Booms von Vielen Medien, Influencern usw. aufgegriffen. Das ist auch wieder ein erstklassiges Beispiel, inwiefern „Bubble- Welten“ unseren Wissenskonsum beeinflussen. Wobei dieses „Konzept“ der Stoffwechseltypen einige Zeit immer weiter verbreitet und als „wissenschaftliche“ Tatsache propagiert wurde, so war jedem Menschen mit grundlegenden Wissen des menschlichen Körpers (eig. nur logisches Denken) klar, dass das Schwachsinn ist. So ist es Tatsächlich so, dass es keinen Wissenschaftlichen „Beweis“ dafür gibt und es im Grunde einfach erfunden wurde.

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"Aber alle Theorien sind doch erfunden"

Das ist auch tatsächlich so, alle Theorien und Modelle sind nur Erklärungen der Realität, dennoch brauchen diese einen Gewissen Halt und werden in richtiger wissenschaftlicher Arbeit wortwörtlich unaufhaltsam versucht als falsch zu beweisen. So macht es natürlich auch einen Unterschied eine Theorie über Schwarze Löcher zu entwickeln, wo die alleinige Untersuchung durch einen unüberwindbaren Ereignishorizont extrem schwer ist, oder aber „Stoffwechseltypen“, was man mit relativ simplen Studien nachweisen könnte. Das Argument „alles wäre irgendwann erfunden worden“ ist also absoluter Nonsens. So kann ich zwar Morgen eine „Hypothese“ zu der Behandlung von Krebs veröffentlichen, jedoch wird sich niemand dafür interessieren, da ich mich weder gut in der Thematik auskenne und meine Hypothese auf keinen sinnvollen Grundlagen beruht

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Dass „Stoffwechseltypen“ nicht gerade eine gute Theorie darstellen, sollte in den vorherigen Absätzen bereits klar geworden sein, aber gehen wir etwas genauer darauf ein, was diese „Theorie“ denn überhaupt aussagt. Und da fängt das ganze auch schon an, würde es als „Theorie“, bzw. als „Vermutung“ bezeichnet werden, wäre es zwar auch schlecht, weil die Theorie einfach sinnlos ist, jedoch wird es schlicht als Fakt propagiert.

Wer ist dafür verandwortlich?

Grundsätzlich geht es um eine Unterteilung von Menschen in „Stoffwechseltypen“, mit einer Differenzierung in drei Hauptkategorien, „Ektomorph“, „Mesomorph“ und „Endomorph“. 

„Erforscher“ des Ganzen war dr. William Sheldon, weswegen man auch manchmal von der „Sheldonischen Einteilung“ hört. Entstanden ist diese Theorie etwa im mittleren 20. Jahrhundert, ist also schon eine ganze Weile her (verzeihe die ungenaue „Recherche“, aber diese Thematik erfordert keine große Recherche). Heutzutage ist völlig klar, dass diese „Theorie“ keinen wirklichen Halt aufweist, weswegen die Fitnessscene so ziemlich der einzige Ort ist, wo es noch Verwendung findet und das sagt denk ich mal genug über die Seriosität der Branche aus. Und übrigens, mit „Heutzutage“ meinte ich, dass das der „wissenschaftlichen Welt“ bereits zu Beginn klar war.

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unhaltbares mess- Verfahren

Die obigen Hauptkategorien wurden also mit verschiedenen Merkmalen ausgestattet und die Testpersonen wurden jeweils in einer Skala von 1 bis 7 eingeordnet, wodurch man bspw. eine 6 auf der „Mesomorph-skala“ erreicht hat und eine 3 auf der „Ektomorph-skala“ und entsprechend ein „dominanter“ Typ festgestellt wird. Unterteilt wurde mithilfe eines Fotos, dass dann ganz simpel beurteilt wurde. Hier sollte jedem klar sein, dass solch eine Messmethode absolut unaussagekräftig ist und einzig und allein auf die äußere Erscheinung schließen lässt. Würde man es bei dieser Einteilung belassen, wäre es auch kein Problem, auch wenn dann die Einteilung an sich nicht sonderlich nützlich wäre (ist sie so natürlich auch nicht). Propagiert wird dabei aber nicht nur mit äußerlichen Unterschieden, sondern bis hin zu tiefgreifenden Physiologischen Differenzen, wie der Körper funktioniert, allein auf Grundlage eines Fotos!

Das Endresultat ist nur so gut wie das Verfahren, aus dem es resultiert!

Diese eine Fotografie lässt dabei aber natürlich kaum aussagekräftige Auswertungen zu, noch dazu sich das Ergebnis binnen relativ kurzer Zeit schlagartig ändern kann. Das äußere Erscheinungsbild gibt zunächst also allein Auskunft über den ungefähren Knochenbau, wie groß ist die Person, wie sind die Proportionen, wie breit ist die Hüfte usw. Alles weitere, wie auch das Gewicht, ist natürlich extrem variabel, so kann eine Übergewichtige Person selbstverständlich Gewicht verlieren und nach relativ kurzer Zeit ein komplett anderes Ergebnis bei diesem „Test“ erzielen. Auch wenn das eigendlich klar sein sollte, muss man erwähnen, dass dieser Gewichtsverlust in jenem Beispiel nicht anders funktioniert als bei einer anderen Person. Und darum geht es, zu glauben man könnte aufgrund der äußeren Erscheinung eines Menschen tiefreichende Schlussfolgerungen auf dessen Physiologie schließen, ist schlichtweg nicht haltbar, um es nett auszudrücken. Auch wenn die Messverfahren im Laufe der Zeit zumindest etwas besser wurden, ermöglicht das nur eine Einteilung nach Knochenbau, Körperfettanteil etc.

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Niemand behauptet jeder Mensch wäre gleich

Dabei ist wichtig zu verstehen, dass der menschliche Körper grundlegend gleich funktioniert. Die Behauptung ein „Ektomorph“ könnte kaum Fett zunehmen und ein „Endomorph“ nimmt verdammt schnell an Fett zu, kann durch ein Unterschiedliches Hungergefühl in Relation zum Kalorienverbrauch, ein unterschiedliches Aktivitätsmaß usw. erklärt werden, aber sicherlich nicht durch eine pauschale Differenzierung wie Körpergewicht auf- und abgebaut wird. So funktioniert auch der Körper eines „Endomorphes“ nach Naturgesetzen und muss auf eigene Energiesspeicher zurückgreifen, wenn die Zufuhr von außen nicht ausreicht. Genauso wie auch ein Ektomorph Gewicht, inklusive Fett, zunehmen kann, wenn er im Verhältnis zu seinem Verbrauch nur genug isst.

Dabei ist dann auch das Argument „aber es ist doch nicht jeder gleich“ vollkommen unbegründet, ganz im Gegenteil, diese Unterteilung nach Stoffwechseltypen würde eine Vereinheitlichung bedeuten. Selbstverständlich unterscheiden sich Menschen mit unterschiedlichen Genen. Nicht jeder kann aufgrund seiner Genetik gleich viel Muskulatur aufbauen, der Aktivitätsgrad hat sicher riesige epigenetische Hintergründe und das Abnehmen einen genauso großen psychischen Faktor. Nie hat jemand behauptet, dass alle Menschen gleich wären, man kann Unterschiede aber nicht so simplifizieren, geschweige denn so einfach unterteilen und dennoch gibt es natürlich physiologische Grundlagen, die für alle Menschen gelten.

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Auch wenn dieser Artikel wohl kaum dazu führen wird, dass solche offensichtlich falschen Dinge über die Fitness- Branche weiter verteilt werden, so hoffe ich zumindest einigen Individuen das Thema damit verdeutlichen zu können und zum eigenständigen Verständnis beizutragen.

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